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Die Sicherheit von Metamizol ist vergleichbaren OTC-Analgetika überlegen


EFSM: 2025;5:250018DOI: 10.52778/efsm.25.0018Veröffentlicht am: 04.09.2025
Waltraud Stromer, Paula Fontanilla und Beata Cywińska-Durczak

Abstract: Eine Metaanalyse mit 20.643 Teilnehmern untersuchte das Risiko von Nebenwirkungen nach einmaliger Einnahme von Metamizol und anderen nicht-opioiden Analgetika. Der Fokus lag auf schwerwiegenden bis potenziell lebensbedrohlichen Nebenwirkungen. Agranulozytose ist beispielsweise eines der am meisten gefürchteten Risiken bei der Einnahme von Metamizol. Metamizol erwies sich in jeder Dosierung als sicheres Medikament mit sogar weniger Nebenwirkungen als Paracetamol oder Acetylsalicylsäure.

Einleitung

Metamizol, auch Dipyron oder Novaminsulfon genannt, wird seit 100 Jahren vor allem in Lateinamerika und der EU eingesetzt. Der komplexe Wirkungsmechanismus von Metamizol bedingt neben einer schmerzlindernden auch eine fiebersenkende Wirkung (Abb. 1) [1].

Metamizol ist bei verschiedenen Schmerzarten wirksam und weist eine der höchsten Schmerzreduktionsraten unter den rezeptfreien Medikamenten auf. Bereits eine Einzeldosis führt bei 62 % der Probanden zu einer signifikanten Schmerzreduktion (d. h. einer Reduktion um mindestens 50 %) [1]. Postoperative Schmerzen wurden bei 70 % der Patienten, die Metamizol einnahmen, und bei 30 % der Patienten, die ein Placebo erhielten, signifikant (d. h. um mindestens 50 %) reduziert [1]. Trotz seiner nachgewiesenen Wirksamkeit bei der Linderung verschiedener Schmerzarten ist es in den US-amerikanischen klinischen Leitlinien für den Einsatz nicht-opioider Analgetika in der Palliativmedizin nicht aufgeführt, wohingegen Paracetamol in den USA das am häufigsten verschriebene Medikament gegen krebsbedingte Schmerzen in der Palliativmedizin ist. [1].

Trotz der nachgewiesenen Wirksamkeit von Metamizol ist es in einigen Ländern wie Schweden, Großbritannien und den USA verboten, hauptsächlich aufgrund des seltenen, aber potenziell tödlichen Risikos einer Agranulozytose. Studien zeigen jedoch, dass Metamizol sicherer sein könnte als COX-Hemmer und Paracetamol. Eine Metaanalyse von 79 Studien mit fast 4000 Patienten, die Metamizol weniger als zwei Wochen einnahmen, ergab keine signifikanten Unterschiede in den Nebenwirkungen von Metamizol im Vergleich zu COX-Hemmern, Paracetamol oder Placebo [3]. 

Metamizol verursacht weniger Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüre als andere nichtselektive COX-Hemmer, und das Blutungsrisiko ist begrenzt. Bei Magengeschwüren ist nicht bekannt, ob es sicherer ist als ein nichtselektiver COX-Hemmer in Kombination mit einem Protonenpumpenhemmer. Obwohl das Medikament bei gesunden Probanden für die Nierenfunktion sicher zu sein scheint, fehlen Daten zu Hochrisikopatienten (z. B. mit Herz- oder Niereninsuffizienz). Bei Patienten mit verringerter Nieren- oder Leberfunktion sollte Metamizol nur nach strenger Nutzen-Risiko-Abwägung angewendet werden. Es sind entsprechende Vorsichtsmaßnahmen zu treffen.

Selektive COX-2-Hemmer sind mit einem erhöhten Mortalitätsrisiko durch kardiale Ischämie verbunden. Theoretisch würde der nichtselektive COX-Hemmer Metamizol keine übermäßigen kardialen Probleme verursachen. Es gibt keine Veröffentlichungen, die über ein erhöhtes kardiales Risiko im Zusammenhang mit Metamizol berichten. In einer anderen großen Metaanalyse wurde Paracetamol mit einem höheren Risiko für hepatische und kardiovaskuläre Nebenwirkungen in Verbindung gebracht [3]. Metamizol war mit weniger Kopfschmerzen, Benommenheit und Drehschwindel verbunden als COX-Hemmer. Schwerwiegende unerwünschte Ereignisse (SUE) waren selten und zeigten keine Unterschiede zwischen Metamizol und anderen nicht-steroidalen Analgetika. Agranulozytose trat nicht auf [3].

Aufgrund der Opioidkrise wird Metamizol als mögliche Alternative oder Ergänzung in Betracht gezogen. Dieser Review belegt die gute Verträglichkeit und hohe Sicherheit von Metamizol und unterstreicht somit den hohen Stellenwert von Metamizol in der Behandlung akuter Schmerzen [1].

Fast zeitgleich mit der Veröffentlichung des Reviews [1] überprüfte auch der Ausschuss für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz (PRAC) der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) die Sicherheit des Schmerzmittels Metamizol [4]. Der PRAC stellt fest, dass das Risiko einer Agranulozytose bekannt und beherrschbar ist. Die Empfehlungen des PRAC basieren auf einer Überprüfung aller verfügbaren Erkenntnisse, einschließlich Daten aus der wissenschaftlichen Literatur, Sicherheitsdaten nach dem Inverkehrbringen und Informationen von Interessengruppen. Während der Überprüfung holte der PRAC den Rat einer Expertengruppe aus Schmerzspezialisten, Hämatologen, Allgemeinmedizinern, Apothekern und einem Patientenvertreter ein. Der PRAC kam zu dem Schluss, dass der Nutzen von Metamizol-haltigen Arzneimitteln weiterhin die Risiken überwiegt. Die Produktinformationen aller Metamizol-haltigen Arzneimittel werden jedoch aktualisiert, um die bestehenden Warnhinweise zu verstärken, um Patienten und medizinisches Fachpersonal zu sensibilisieren und die Früherkennung und Diagnose einer Metamizol-induzierten Agranulozytose zu erleichtern [4]. Darüber hinaus soll die Produktinformation entsprechend dem aktuellen Wissensstand aktualisiert werden, indem jegliche Hinweise auf regelmäßige Blutbildkontrollen bei Patienten unter Behandlung mit Metamizol-haltigen Arzneimitteln entfernt werden, desgleichen die Information, dass sich das Risiko nach einer Behandlungswoche oder bei Langzeitanwendung erhöht, was durch die überprüfte Evidenz nicht belegt ist [4].

Das Sicherheitsprofil von Metamizol im Vergleich zu verordnungsfreien Analgetika

Opioid-Analgetika sind hochwirksame Schmerzmittel, bergen jedoch das Risiko von Nebenwirkungen (z. B. Müdigkeit, Benommenheit, Übelkeit, Verstopfung) und können bei unsachgemäßer Anwendung abhängig machen. Metamizol und andere nicht-opioide Analgetika hingegen machen nicht abhängig, bieten eine effektive Schmerzlinderung bei akuten Schmerzen und können als alternative oder unterstützende Behandlungsoption eingesetzt werden [2]. COX-Hemmer hemmen die Prostaglandinsynthese, was häufig zu gastrointestinalen Problemen wie Geschwüren oder Blutungen führt. Metamizol hingegen scheint aufgrund seiner Fähigkeit, die Prostaglandinsynthese umzulenken, eine deutlich geringere Neigung zu solchen Nebenwirkungen zu haben [2]. Die Analyse im Review [1] konzentrierte sich auf die Verträglichkeit nicht-opioider Analgetika. Erstmals wurden die Häufigkeit von Nebenwirkungen und das Sicherheitsprofil von Metamizol mit Paracetamol, Ibuprofen und Acetylsalicylsäure bei der Behandlung von Schmerzen nach einmaliger Gabe (Metamizol 500–2000 mg, Paracetamol 500–1000 mg, Ibuprofen 200–400 mg, Acetylsalicylsäure 500–1000 mg) verglichen. Die zentrale Frage des Reviews lautete: „Treten die Nebenwirkungen von Metamizol bei erwachsenen Patienten mit leichten bis mittelschweren Schmerzen häufiger und schwerer auf als bei Paracetamol, Ibuprofen und Acetylsalicylsäure?“ 387 Studien wurden ausgewertet. Es wurden vier systematische Reviews aus den Jahren 2006 bis 2017 zu randomisierten (RCTs) und nicht-randomisierten (NRCTs) klinischen Studien an Erwachsenen (im Alter von 18–80 Jahren, N=20.643) mit leichten bis mittelschweren akuten Schmerzen analysiert, bei denen keine bekannte Allergie gegen Analgetika (Metamizol, Ibuprofen, Paracetamol und Acetylsalicylsäure) vorlag.

In den analysierten Studien wurden Metamizol und Paracetamol bzw. Metamizol und Ibuprofen bzw. Metamizol und Acetylsalicylsäure auch hinsichtlich der Nebenwirkungen der Medikamente verglichen. Alle unerwünschten Reaktionen wurden erfasst, schwerwiegende Nebenwirkungen wie Agranulozytose, chronische interstitielle Nephritis, Anaphylaxie, Bronchospasmus, toxische epidermale Nekrolyse oder Tod wurden separat erfasst. Keine der vier analysierten Studien berichtete über schwerwiegende unerwünschte Ereignisse. Die berichteten Nebenwirkungen (Abb. 2) waren leichter Natur und umfassten beispielsweise Übelkeit, Erbrechen, Schläfrigkeit, Kopfschmerzen oder erhöhten Blutdruck. Die Primärdaten der Studien, die den vier Reviews zugrunde lagen, wurden ebenfalls analysiert, um die sicherheitsrelevanten Ergebnisse zu identifizieren.

Die ergänzende statistische Analyse der Primärdaten konzentrierte sich auf Metamizol, Acetylsalicylsäure und Paracetamol. Ibuprofen wurde ausgeschlossen, da die erwartete Häufigkeit von Nebenwirkungen in der Gruppe mit Ibuprofen 400 mg unter 10 lag. Die Anzahl der berichteten Nebenwirkungen war daher zu gering, um eine statistisch aussagekräftige Analyse durchzuführen. Zudem wiesen die zugrunde liegenden Daten zu Ibuprofen ein hohes Risiko für Bias auf. Die ergänzende statistische Analyse wurde mit 1558 Teilnehmern durchgeführt, die Metamizol, Acetylsalicylsäure und Paracetamol in beliebiger Dosierung einnahmen.

Zunächst wurde die Chance für das Auftreten einer Nebenwirkung für jedes Medikament unabhängig von der eingenommenen Dosis analysiert. Am höchsten war die Chance für Paracetamol (Odds: 0,1827), gefolgt von Acetylsalicylsäure (Odds: 0,1797) und Metamizol (Odds: 0,0928). Metamizol war im Vergleich zu Paracetamol und Acetylsalicylsäure ein sichereres Medikament. Der Vergleich zeigte, dass Metamizol unabhängig von der Dosis ein geringeres Risiko für Nebenwirkungen hatte als Paracetamol (Odds-Ratio: 0,508) oder Acetylsalicylsäure (Odds-Ratio: 0,517). Anders ausgedrückt: Bei jeder Dosis haben Metamizol-Anwender ein um 49 % bzw. 48 % geringeres Risiko für Nebenwirkungen als Paracetamol- bzw. Acetylsalicylsäure-Anwender.

Der Vergleich von Metamizol mit Acetylsalicylsäure und Paracetamol in einer niedrigen Dosierung von ≤ 650 mg und einer mittleren Dosierung von > 650 mg bis ≤ 1000 mg zeigte einen interessanten Effekt. Das angepasste Odds-Ratio für Metamizol in einer Dosierung von ≤ 650 mg im Vergleich zu Paracetamol und Acetylsalicylsäure betrug 3,24 bzw. 0,2445; für Metamizol in Dosierungen zwischen > 650 mg und ≤ 1000 mg lagen die Werte bei 0,1426 bzw. 0,1545. Dies zeigt, dass das Risiko für Nebenwirkungen nach Einnahme einer mittleren Dosierung (650–1000 mg) um bis zu 85% geringer ist. Bei niedrigen Dosierungen (0–650 mg) ist das Risiko für Nebenwirkungen etwas höher als bei Paracetamol, was jedoch möglicherweise auf die geringe Stichprobengröße zurückzuführen ist. Wie oben erwähnt, wurde über leichte Nebenwirkungen wie Übelkeit, Erbrechen, Schläfrigkeit, Kopfschmerzen oder erhöhten Blutdruck berichtet.

Im Gegensatz zu diesen dosisabhängigen Nebenwirkungen können unter Metamizol selten schwerwiegende immunologische Reaktionen auftreten, unabhängig von der eingenommenen Dosis. Keine der analysierten Studien berichtete über schwerwiegende Ereignisse wie Agranulozytose oder Epidermisnekrose, was darauf hindeutet, dass das Risiko solcher schwerwiegenden Nebenwirkungen unter Metamizol gering ist. Die Inzidenz der durch Metamizol induzierten Agranulozytose ist in der Literatur unzureichend dokumentiert, wobei die meisten Studien nicht zwischen Neutropenie, Agranulozytose und aplastischer Anämie unterscheiden. Mehrere Medikamente, darunter Antibiotika, Antipsychotika, Thrombozytenaggregationshemmer und Schilddrüsenmedikamente, wurden mit Agranulozytose in Verbindung gebracht.

Eine der Einschränkungen dieses Reviews besteht darin, dass die meisten der eingeschlossenen Studien primär die schmerzlindernde Wirkung der geprüften Medikamente untersuchten, während systematische Analysen der Nebenwirkungen fehlten. Der Mangel an umfassenden Daten zur Häufigkeit und Verteilung von Nebenwirkungen sowie das Fehlen einer detaillierten Dokumentation dieser Wirkungen stellten erhebliche Herausforderungen für die statistische Analyse dar.

Zusammenfassung

Arzneimittelinduzierte Agranulozytose ist ein seltenes, aber schwerwiegendes unerwünschtes Ereignis. In den USA liegt die Inzidenz zwischen 2,4 und 15,4 Fällen pro Jahr pro einer Million Einwohner, in Europa zwischen 3,4 und 5,3 Fällen pro einer Million Einwohner [1]. Aufgrund des potenziell tödlichen Verlaufs ist die Anwendung von Metamizol in einigen Ländern eingeschränkt. Nur wenige Studien liefern klare Informationen zur Inzidenz, und oft wird nicht deutlich zwischen Neutropenie, Agranulozytose und aplastischer Anämie unterschieden. Verschiedene Medikamente, wie Antibiotika und Antipsychotika, wurden ebenfalls mit Agranulozytose in Verbindung gebracht [1].

Dieser systematische Review bestätigte das günstige Sicherheitsprofil von Metamizol im Vergleich zu häufig verwendeten, ähnlich wirksamen nicht-opioiden Analgetika. Unerwünschte Wirkungen wurden bei Metamizol seltener berichtet als bei Acetylsalicylsäure und Paracetamol. Ibuprofen zeigte nach einmaliger Gabe die niedrigste Nebenwirkungsrate. Metamizol bewies insgesamt ein durchweg gutes Sicherheitsprofil. Es wurden keine schwerwiegenden Nebenwirkungen beobachtet, und das Risiko für schwerwiegende Nebenwirkungen dürfte gering sein. Die Autoren betonen, dass für eine abschließende Beurteilung weitere und qualitativ hochwertigere Studien zu Agranulozytose und anderen potenziellen Risiken erforderlich sind.

Literatur

  1. Eleutério OHP, et al. Safety of metamizole (dipyrone) for the treatment of mild to moderate pain—an overview of systematic reviews. Naunyn-Schmiedeberg's Arch Pharmacol 2024;397:8515–8525. https://doi.org/10.1007/s00210-024-03240-2.
  2. Jeyaraman N, et al. Metamizole in the Management of Musculoskeletal Disorders: Current Concept Review. J Clin Med. 2024;13(16):4794. https://doi.org/10.3390/jcm13164794.
  3. Kötter T, et al. Metamizole-Associated Adverse Events: A Systematic Review and Meta-Analysis. PLoS ONE 2015; 10(4):e0122918. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0122918.
  4. European Medicines Agency. EMA recommends measures to minimise serious outcomes of known side effect with painkiller metamizole. 06.09.2024. https://www.ema.europa.eu/en/news/ema-recommends-measures-minimise-serious-outcomes-known-side-effect-painkiller-metamizole (Accessed October 30, 2024).

Danksagung: Die Autoren danken A.P., einem freiberuflichen Medical Writer, für die Unterstützung beim Medical Writing.

Interessenkonflikt: P. Fontanilla und B. Cywińska-Durczak sind Mitarbeiter von Opella. W. Stromer gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Offenlegung: Veröffentlichung und Medical Writing finanziert von Opella.

Affiliation/Korrespondenz: Dr. Waltraud Stromer, Abteilung für Anästhesie und Intensivmedizin, Landesklinikum Horn, Spitalgasse 10, 3580 Horn, Österreich, Paula Fontanilla, Opella, Neuilly-sur Seine, Frankreich und Beata Cywińska-Durczak, Opella, Polen, Warschau
Eingereicht am: 30.01.2025Akzeptiert am: 09.07.2025Veröffentlicht am: 04.09.2025
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