In der früheren Leitlinie wurden Kombinationspräparate mit Wirkstoffen wie Ibuprofen (Ibu), Acetylsalicylsäure und Coffein, als Erstlinienbehandlung bei akuten Kopfschmerzen empfohlen. Diese Kombinationen gelten als besonders wirksam, weil Coffein die Wirkung von Schmerzmitteln verstärken kann [1].
Dexibuprofen entspricht den Empfehlungskriterien der Kopfschmerz-Leitlinie
S1-Leitlinie Spannungskopfschmerz stärkt die Monotherapie mit NSAR
Die aktuelle S1-Leitlinie für Spannungskopfschmerz empfiehlt Monopräparate wie Ibu, Acetylsalicylsäure und Paracetamol als Mittel der ersten Wahl. Insbesondere Ibu hat in klinischen Studien eine gute schmerzlindernde Wirkung gezeigt. Diese Änderung hin zur Monotherapie geht auf die Erkenntnis zurück, dass das Risiko eines medikamenteninduzierten Kopfschmerzes bei Kombinationspräparaten erhöht ist. Daher sollten Kombinationspräparate maximal an 10 Tagen pro Monat angewendet werden. Monopräparate können hingegen an bis zu 15 Tagen im Monat verwendet werden. Zudem führt der Zusatz von Coffein in Schmerzmitteln zu mehr Nebenwirkungen wie Benommenheit und Nervosität [2].
Eine zurückhaltende und situationsangepasste Verwendung von Schmerzmitteln ist langfristig für viele Patienten besser und reduziert das Risiko eines Übergebrauchs. Wissenschaftliche und klinische Erkenntnisse belegen, dass mit Dexibuprofen (Dexibu), dem wirksamen Enantiomer des Ibuprofens, eine geringere Belastung für den Körper einhergeht und zudem der Wirkeintritt beschleunigt wird. Dexibu, eine Weiterentwicklung des Ibuprofens, wird nicht explizit in der S1-Leitlinie Spannungskopfschmerz erwähnt. Aufgrund seiner Wirksamkeits- und Sicherheitsdaten entspricht der Wirkstoff jedoch allen Anforderungen der Leitlinie.
Dexibuprofen: Das wirksame Enantiomer des Ibuprofens
Bei der Herstellung von Ibu (racemischem Ibuprofen) entstehen die beiden Enantiomere Dexibuprofen (Dexibu, S(+)-Ibuprofen) und Levibuprofen (Levibu, R(–)-Ibuprofen) zu gleichen Anteilen. Diese unterscheiden sich in ihren pharmakodynamischen, metabolischen und physikalischen Eigenschaften. Durch einen speziellen Filtrationsprozess kann das nicht wirksame Enantiomer Levibu entfernt werden, um das schmerzlindernde Enantiomer Dexibu zu erhalten [3].
Pharmakodynamik: Während Dexibu das Schmerz und Entzündung verursachende Enzym Cyclooxygenase 2 (COX-2) effektiv hemmt, zeigt Levibu hier keine Wirkung. Untersuchungen weisen sogar darauf hin, dass Levibu die erwünschten Wirkungen von Dexibu an COX-2 eher ungünstig beeinflussen könnte. Zudem zeigt Levibu im Vergleich zu Dexibu eine deutlich höhere Wirkung an der Cyclooxygenase 1 (COX-1), dem Enzym, das u.a. für Nebenwirkungen im Gastrointestinaltrakt verantwortlich ist [3].
Metabolismus: Levibu wird im Gegensatz zu Dexibu in den Fettstoffwechsel eingebaut. Es bildet mit Fettsäuren Triglyceride, sogenannte Hybrid-Triglyceride. Diese sammeln sich im Fettgewebe und setzen den Wirkstoff langsam frei. Die klinischen Konsequenzen daraus sind noch nicht vollständig geklärt. Dexibu zeigt diese Stoffwechselwege nicht, wodurch auch mögliche unerwünschte Arzneimittelwirkungen durch zusätzliche Metabolite wie Thioester vermieden werden. Damit gilt Dexibu als metabolisch „sauberer“ [3].
Ein weiterer Unterschied ist die metabolische Inversion. Nach der Einnahme von Ibu wird ein gewisser Anteil des Levibu in Dexibu umgewandelt. Die Umwandlung des Levibu variiert jedoch individuell und ist im Ausmaß nicht vorhersehbar. Dexibu hingegen wird im Körper nicht umgewandelt und ermöglicht dadurch eine zuverlässige Dosierungsempfehlung. Klinische Studien belegen, dass Dexibu bei halber Dosierung von Ibu die gleiche Wirksamkeit aufweist [3].
Zudem wird bei der Anwendung von Dexibu die Belastung der Nieren durch die geringere Dosierung reduziert [3].
Physikalische Eigenschaften: Bei In-vitro-Untersuchungen, die die physiologischen Bedingungen des Magens simulieren, zeigte Dexibu eine doppelt so hohe Löslichkeit im Vergleich zu Ibu. Die Autoren der Untersuchung schließen dadurch auf eine hohe physiologische Verfügbarkeit von Dexibu [4].
Dexibuprofen: Vorteile in klinischen Studien
Die Leitlinie der Europäischen Zulassungsbehörde (EMA) zur Entwicklung von Schmerzmedikamenten empfiehlt Zahnextraktion und Menstruationsschmerz als geeignete Studienmodelle für akute somatische und viszerale Schmerzen [5]. Die Ergebnisse von Dexibu in diesen Studien werden nachfolgend beschrieben.
Dexibuprofen wirkt schneller als Ibuprofen
Dexibu erwies sich in den Studien als klinisch mindestens genauso wirksam bei akuten somatischen als auch bei akuten viszeralen Schmerzen wie Ibu trotz halbierter Dosierung und zudem überlegen in Bezug auf einen schnellen Wirkbeginn [6, 7].
In einer Studie mit 176 Patienten nach Zahnextraktion wurden die analgetischen Eigenschaften von Dexibu u. a. in der Dosierung von 200 mg mit Ibu 400 mg und Placebo verglichen. Eine erste Schmerzlinderung trat nach der Einnahme von Dexibu nach 15 Minuten ein (gemessen anhand der Schmerzlinderung zu definierten Messzeitpunkten). Der Beginn einer bedeutsamen Schmerzlinderung wurde mittels Stoppuhr für Dexibu 200 mg mit 22 Minuten ermittelt und war damit signifikant schneller im Vergleich zu Ibu (400 mg: Beginn bedeutsamer Schmerzlinderung nach 35 min). Nach 30 Minuten zeigte sich eine Schmerzlinderung bei Dexibu, die bei Ibu erst nach einer Stunde erreicht wurde. Dexibu zeigte innerhalb der ersten 3 Stunden eine signifikant stärkere Analgesie als Ibu bei gleich langer Wirkdauer (Abb. 1) [6].
Abb. 1. Schmerzlinderung durch Dexibu, Ibu und Placebo nach Zahnextraktion in den ersten 360 Minuten nach Einnahme; *p<0,05 versus Ibu 400 mg [6]
Ein signifikant schnellerer Wirkungseintritt zeigte sich auch in einer randomisierten, doppelblinden, Cross-over-Studie mit 77 Patientinnen mit Menstruationsschmerzen, die über drei Zyklen u.a. Dexibu in der Dosierung von 200 mg sowie Ibu 400 mg erhielten. Dexibu 200 mg führte zu einem signifikant schnelleren Wirkungseintritt (p = 0,035), ohne die Gesamtdauer der Schmerzlinderung zu verkürzen. Die Zeit bis zur maximalen Schmerzlinderung war in allen Gruppen vergleichbar und korrelierte mit den Plasmaspitzenwerten [7].
Dexibuprofen zeigt geringere Belastung für den Körper
Allgemein wird eine vergleichbare Verträglichkeit von Ibu und Dexibu angenommen. Jedoch geben klinische Studien Hinweise auf eine bessere Verträglichkeit von Dexibu [8, 9].
Eine Metaanalyse untersuchte fünf GCP-konforme Studien in Bezug auf die berichteten Nebenwirkungen auch von höher dosiertem Dexibu und Ibu. In die Analyse flossen Daten von 1330 Patienten ein, die bis zu 21 Tage mit Dexibu 600–1200 mg oder mit Ibu 1200–2400 mg pro Tag behandelt wurden (Verhältnis 0,5:1).
In der Dexibu-Gruppe zeigten sich weniger Nebenwirkungen pro Organsystem. ZNS-Reaktionen traten zudem signifikant seltener auf (2,54% vs. 4,63%; p < 0,05). Häufige Nebenwirkungen beider Medikamente waren Magenbeschwerden, Übelkeit und Erbrechen. Die Gesamtinzidenz von Nebenwirkungen war bei Dexibu signifikant niedriger (15,66% vs. 20,41%, p < 0,05). Es gab keine schwerwiegenden unerwünschten Ereignisse und die Rate an Studienabbrüchen war vergleichbar (2,40% vs. 3,25%) (Tab. 1) [8].
Tab. 1. Metaanalyse zu Nebenwirkungen von Dexibu und Ibu in fünf randomisierten, doppelblinden klinischen Studien [8]
System | Nebenwirkungen [%]1 | |
Dexibu (n = 747) | Ibu (n = 583) | |
Gastrointestinaltrakt | 9,37% | 9,78% |
Zentrales Nervensystem | 2,54%* | 4,63% |
Haut | 0,67% | 0,86% |
Kardiovaskulär | 0,00% | 0,00% |
Andere | 0,54% | 0,69% |
Blutbildveränderungen | 1,34% | 2,92% |
Laborwertveränderungen | 1,20% | 1,54% |
Gesamt | 15,66%* | 20,41% |
Studienabbruch | 2,40% | 3,25% |
1Mehrfachnennungen bei mehr als einem Symptom oder mehr als einem betroffenen System; *p < 0,05
Mit besonderem Fokus auf gastrointestinale unerwünschte Arzneimittelwirkungen untersuchte eine 2-wöchige Studie die Auswirkungen von höher dosiertem Dexibu und Ibu auf die Magen-Darm-Schleimhaut bei Patienten (n = 60) mit chronischer NSAR-Therapie aufgrund einer rheumatologischen Erkrankung. Dexibu führte zu signifikant weniger Schäden an der gastroduodenalen Schleimhaut. Bei 42,1% der mit Dexibu behandelten Patienten kam es zu keinerlei Schädigungen, während in der Ibu-Gruppe bei 95 % der Patienten Schädigungen nachweisbar waren (p = 0,003) (Abb. 2).
Abb. 2. Ausmaß der gastroduodenalen Schädigung nach 14-tägiger Einnahme von Dexibu und Ibu; *p = 0,003 [9]. Grad 0: normale Schleimhaut, Grad 1: Erosionen, Grad 2: Ulzerationen bzw. aktive Blutungen
Auch die Darmschleimhaut war bei Dexibu weniger betroffen: 42,86% der Patienten wiesen keine Schäden auf, verglichen mit 14,29% in der Ibu-Gruppe (p = 0,0175). Die Gesamtinzidenz von Nebenwirkungen war in der Dexibu-Gruppe mit 28% niedriger als in der Ibu-Gruppe mit 38% [9].
Zusammenfassung
Die aktuelle Leitlinie zur Diagnostik und Therapie von Spannungskopfschmerzen empfiehlt eine Monotherapie wie Ibu aufgrund seiner guten Evidenz für Analgesie und seines hohen Sicherheitsprofils [2]. Mit Dexibu, dem wirksamen Enantiomer von Ibu, ist nur die Hälfte der Dosis von Ibu erforderlich, um eine mindestens ebenso starke Wirkung bei akuten somatischen und viszeralen Schmerzen zu erzielen [6, 7]. Daher bringt die Verwendung von Dexibu eine geringere Wirkstoff- und Stoffwechselbelastung für den Körper mit sich [3, 8, 9]. Unerwünschte Wirkungen, die mit Levibu verbunden sind, werden vermieden [3]. Ein weiterer Vorteil von Dexibu ist der schnellere Wirkungseintritt im Vergleich zu Ibu [6, 7]. Dies ist wahrscheinlich auf die doppelt so schnelle Löslichkeit von Dexibu im Magen zurückzuführen [4]. Dexibu, die Weiterentwicklung von Ibu, wird zwar nicht explizit in der Leitlinie zum Spannungskopfschmerz erwähnt, erfüllt jedoch alle Kriterien der aktuellen Empfehlung [2]. Darüber hinaus führt die reduzierte Menge des Wirkstoffs zu einer kleineren Tablette. Dies könnte die Akzeptanz der Patienten weiter erhöhen.
Literatur
- Haag G, et al. S3-Leitlinie, Selbstmedikation bei Migräne und beim Kopfschmerz vom Spannungstyp. Nervenheilkunde 2009;28:382–397. https://www.dmkg.de/files/dmkg.de/patienten/Download/migraene%20und%20spannungskopfschmerz.pdf (accessed on 27/11/2024).
- Neeb L, et al. Diagnostik und Therapie des Kopfschmerzes vom Spannungstyp, S1-Leitlinie, 2023. AWMF register number 030-077, https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/030-077 (accessed on 27/11/2024).
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- Kollenz C et al. ADIDAC trial: analgesia with dexibuprofen versus ibuprofen in patients suffering from primary dysmenorrhea: a crossover trial. Gynecol Obstet Invest. 2009;67(1):25–31. doi: 10.1159/000158648 Epub 2008 Sep 30. PMID: 18824862.
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- Gómez BJ, et al. Modification of pepsinogen I levels and their correlation with gastrointestinal injury after administration of dexibuprofen, ibuprofen or diclofenac: a randomized, open-label, controlled clinical trial. Int J Clin Pharmacol Ther. 2006;44(4):154–62. doi: 10.5414/cpp44154. PMID: 16625984.
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Interessenkonflikt: keiner
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