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Land:Schweiz
Sprachen:deutsch

Selbstmedikation bei Frauen mit androgenetischer Alopezie


Apothekenpraxis und wissenschaftliche Evidenz

EFSM: 2025;5:250016DOI: 10.52778/efsm.25.0016Veröffentlicht am: 15.07.2025
Mira Jakobs und Christiane Kolb

Abstract: Androgenetische Alopezie führt zu einer Ausdünnung der Haare im Scheitelbereich, was die Lebensqualität stark beeinträchtigen kann. Eine Umfrage unter 2579 Apothekenmitarbeitenden veranschaulicht die Bedeutung der Selbstmedikation für betroffene Frauen. Nährstoffsupplemente mit Aminosäuren und Vitaminen zeigen in vitro und in vivo gute Studienergebnisse.

Unklarer Haarausfall: ein Thema der Selbstmedikation

Apotheken sind häufig die erste Anlaufstation für Patientinnen mit übermäßigem Haarausfall. Betroffenen geht es darum, eine weitere Ausdünnung des Kopfhaars zu verhindern und das Nachwachsen der Haare optimal zu stimulieren [1]. Die Empfehlung eines wirksamen Präparats sowie eine Beratung im Hinblick auf Einnahmehinweise, zu erwartende Nebenwirkungen und die Therapiedauer sind wichtig für eine langfristige Adhärenz, die für eine wirkungsvolle Behandlung notwendig ist. Das gilt insbesondere für Formen des Haarausfalls, die nicht situativ vorübergehend, sondern dauerhaft auftreten wie die androgenetische Alopezie (AGA).

Eine Umfrage [2] verdeutlicht die Bedeutung der Beratung für Patientinnen mit AGA in der Selbstmedikation. An der Befragung nahmen insgesamt 2579 Mitarbeitende aus Apotheken teil, von denen 2559 die Umfrage abschlossen (1292 Apotheker*innen, 1091 PTA, 94 PKA, 102 Sonstige). 

Etwa die Hälfte der Befragten (45,5%) gaben an, dass in ihrer Apotheke häufiger als einmal im Monat bis mehrmals in der Woche nach einer Behandlungsoption bei übermäßigem Haarausfall gefragt wird. Betroffene Frauen sind nach den Angaben der Umfrage durchschnittlich über 40 Jahre (36,9%) bzw. 50 bis 70 Jahre (38,7%). Nur wenige gaben ein höheres Alter an (1,2%). Ein kleinerer Prozentsatz gab an, dass die betroffenen Frauen jünger als 40 Jahre alt waren (23,3%). 

Viele Patientinnen (85,9%) würden eine Empfehlung im Rahmen der Selbstmedikation wünschen. Nach Einschätzung der Teilnehmenden werden viele Patientinnen durch die Medien auf ein konkretes Präparat aufmerksam gemacht (49,9%), möchten viele Patientinnen ein erprobtes Präparat erneut erwerben (23,6%) oder sind unzufrieden und möchten ein neues Präparat testen (18,1%). Nur wenige (14,1%) gaben an, dass viele Patientinnen bereits in ärztlicher Therapie sind und eine unterstützende Behandlung aus der Apotheke wünschen.

Die meisten Befragten (80,7%) geben üblicherweise eine Produktempfehlung und raten zu einem Arztbesuch, wenn sich der Haarausfall nicht innerhalb von drei Monaten bessert. Eine kleinere Gruppe gibt nur bei sehr leichtem Haarausfall eine Produktempfehlung (11,1%) oder rät immer zu einem Arztbesuch, weil ggf. Laboruntersuchungen notwendig sind (8,1%).

Diese Angaben spiegeln sich auch im Kenntnisstand des befragten Apothekenpersonals. 40,8% der Teilnehmenden können die verschiedenen Ursachen des Haarausfalls differenzieren, 28,7% können das nicht und 30,7% legten sich nicht fest. Die Evidenz der Behandlung kennen 36,5%, 28,3% sind keine wissenschaftlichen Untersuchungen bekannt, und 35,0% nahmen zu dieser Frage keine Stellung. 8,0% gaben an, sich mit Haarausfall nicht auszukennen und deshalb zu einem Arztbesuch zu raten. 

Folgende Ursachen werden von den Befragten korrekt einer AGA zugeordnet (Mehrfachnennungen waren möglich): Hormonumstellungen (81,6%), erbliche Disposition (75,8%), höheres Alter (39,9%). Fälschlich wurden der AGA folgende Ursachen zugeordnet: Stress (43,1%), Autoimmunreaktionen (30,9%), einseitige Ernährung (19,4%), drastische Gewichtsabnahme (13,3%), falsche Haarpflege (9,4%).

Die Auswahl eines Präparats fällt unter Berücksichtigung der zu erwartenden Wirksamkeit, der Verträglichkeit, der Kosten und der Präferenz der Patientin [1]. 46,3% der Befragten gaben an, dass wissenschaftliche Untersuchungen zu den Ursachen und der Behandlung ihnen persönlich bei der Beratung helfen [2].

Androgenetische Alopezie, die häufigste Diagnose bei Haarausfall

AGA ist die häufigste Diagnose bei Haarausfall, wenn auch absolut gesehen, Frauen weniger stark und nur halb so häufig betroffen sind wie Männer. Bei jüngeren kaukasischen Frauen unter 30 Jahren wurde in Studien über Prävalenzraten von 3 bis 6% berichtet, bei älteren Frauen über 70 Jahren stieg die Prävalenzrate auf 29 bis 42% an [1]. Charakteristisch ist eine zunehmende Ausdünnung der Haare im Scheitelbereich, die eine erhebliche Beeinträchtigung der Lebensqualität zur Folge haben kann (Abb. 1). Die Haardichte am Hinterkopf bleibt typischerweise unverändert. Zur Behandlung stehen topische und systemische pharmakologische Interventionen sowie chirurgische Maßnahmen zur Verfügung. Bei Frauen beschränken sich die positiven Empfehlungen der Leitlinie auf die Anwendung von topischem Minoxidil sowie mit deutlich geringerem Grad auf eine hormonelle anti-androgene Therapie – jedoch nur dann, wenn auch ein entsprechend erhöhter Androgen-Hormonstatus vorliegt. Hinsichtlich Haartransplantation sowie anderer, unter „miscellanous“ zusammengefasster Therapien ist man eher zurückhaltend, obgleich einzelne Studien auf gute Erfolge mit spezifischer Nährstoff-Supplementierung hindeuten, die auch z.T. mit guten Evidenzgraden bewertet wurden [1, 4].

Unzureichende Versorgung des Haarfollikels als Ursache des Haarausfalls

Der Haarzyklus umfasst drei Phasen: In der Anagenphase wächst das Haar über mehrere Jahre. Die Katagenphase (2–4 Wochen) ist die Übergangsphase, in der der Haarfollikel (Abb. 2) schrumpft und das Haar von der Nährstoffversorgung getrennt wird. In der Telogenphase (3–4 Monate) lockert sich das Haar und kann ausfallen. Im Anschluss regeneriert sich der Haarfollikel und eine neue Anagenphase beginnt. Bei AGA wandeln sich terminale Haarfollikel der Kopfhaut in intermediäre/miniaturisierte Haarfollikel um [3].

Der Haarzyklus wird von Wachstumsfaktoren, Hormonen und Nährstoffen beeinflusst. Mikronährstoffe wie Vitamine und Spurenelemente gehören zu den Behandlungsoptionen, obwohl der genaue Wirkmechanismus noch unklar ist. Eine Ex-vivo-Studie untersuchte isolierte Haarfollikel von 13 Patientinnen mit AGA sowie von sechs gesunden Probandinnen im Hinblick auf die Dichte der versorgenden Blutgefäße sowie der Menge an bestimmten Faktoren wie z.B. VEGF (vascular endothelial growth factor), die Nährstoffversorgung der Haarfollikel und ihre Stoffwechselaktivität. Die Haarfollikel wurden aus dem Scheitelbereich (parietal), der Prädilektionsstelle für AGA bei Frauen, und dem Hinterkopfbereich (okzipital) entnommen.

Ergebnisse im Hinblick auf die Blutversorgung

In Haarfollikeln von Patientinnen mit AGA ist die Konzentration des Gefäßendothelwachstumsfaktors VEGF in allen Bereichen des Haarfollikels von intermediären/miniaturisierten Haaren deutlich reduziert (Abb. 3). Interessanterweise stellten die Studienautoren eine reduzierte perifollikuläre Vaskularisation auch bereits in den terminalen parietalen im Vergleich zu den okzipitalen Haarfollikeln fest.

Ergebnisse im Hinblick auf die Nährstoffversorgung

Die relative Häufigkeit der Nährstoffe/Metabolite zeigte Unterschiede zwischen den terminalen und intermediären Haarfollikeln von Patientinnen mit AGA, die auf einen Nährstoffmangel hindeuten. Beispielsweise waren Pantothensäure (Vitamin B5), L-Tryptophan, L-Carnitin und L-Valin in intermediären Haarfollikeln der Patientinnen im Vergleich zu den terminalen Haarfollikeln an beiden Entnahmestellen reduziert. Im Gegensatz dazu waren L-Cystin und L-Alanin nur in den Haarfollikeln der Parietalregion vermindert. Die intrafollikuläre Nährstoffversorgung ex vivo konnte durch Supplementation mit z.B. L-Cystin, Pantothensäure und Biotin in den entnommenen intermediären Haarfollikeln erhöht werden, was darauf hindeutet, dass diese Haarfollikel die Fähigkeit behalten, Nährstoffe aufzunehmen und deshalb Defizite korrigierbar sind.

Ergebnisse im Hinblick auf die Stoffwechselaktivität

Die Ergebnisse der Untersuchung deuten darauf hin, dass die intermediären Haarfollikel von Patientinnen durch eine verminderte Glykolyse und Glutaminolyse gekennzeichnet sind, was Ausdruck eines ruhenden metabolischen Profils von intermediären Haarfollikeln im Vergleich zu terminalen Haarfollikeln ist, der aber die Fähigkeit zur Nährstoffaufnahme nicht zu beeinträchtigen scheint.

Klinische Evidenz von Priorin®

In der klinischen Praxis wird das Haarwachstum individuell beurteilt, in klinischen Studien jedoch durch objektive Methoden wie Haarzählung, -dichte und standardisierte Fotos gestützt [4, 5]. Eine Placebo-kontrollierte, randomisierte, doppelblinde Studie [5] nutzte ein Phototrichogramm zur Überprüfung des Haarwachstums. Dieses nicht-invasive Verfahren wurde zu Beginn sowie nach drei und sechs Monaten durchgeführt. Auf einem runden Bezirk der Kopfhaut mit einem Durchmesser von 1,5 cm wurden die Haare bis auf 1 mm abrasiert und mit einer digitalen Photooptik gezählt. Drei Tage nach der Rasur des Testfelds waren die Anagenhaare aufgrund ihres aktiven Wachstums identifizierbar. Das Verhältnis der Anagenhaare (AH) zu den Gesamthaaren ergab die Anagenhaarquote.

Das Studienprodukt, Priorin® Kapseln, besteht aus Hirseextrakt, L-Cystin und Calciumpantothenat. Hirse enthält Miliacin, Fettsäuren, Kieselsäure, Mineralstoffe, Aminosäuren und Vitamine B1, B6 sowie Niacinamid. Verum (n =  21) und Placebo (n = 20) wurden über sechs Monate in der Standarddosierung verabreicht. Bereits nach drei Monaten zeigte sich ein signifikanter Vorteil für die Verum-Gruppe (Verum: 87,01 ±  6,26 % AH, Placebo: 82,85 ± 6,5 % AH; p = 0,0191), der nach sechs Monaten noch deutlicher war (Verum: 87,58 ± 6,5 % AH, Placebo: 82,96 ± 6,58 % AH; p = 0,0225) (Abb. 4).

Zusammenfassung

Eine frühe Diagnose der AGA und ein schneller Behandlungsbeginn sind wichtig, da die aktuellen Therapien eher den Haarausfall und die Miniaturisierung der Haarfollikel verhindern als verlorenes Haar nachwachsen lassen [3].

Eine Nährstoffsupplementierung erhöhte die intrafollikuläre Konzentration ausgewählter Nährstoffe in isolierten Haarwurzeln [3]. Ein Hinweis, dass die Aufnahmemechanismen der Haarfollikel nicht beeinträchtigt sind und eine Supplementierung mit Nährstoffen wie Aminosäuren (z.B. L-Cystin) oder Vitaminen (z.B. Pantothensäure) bei Frauen mit AGA sinnvoll sein kann.

Frühere Ergebnisse einer kontrollierten klinischen Studie bestätigten, dass eine feste Nährstoffkombination klinisch eine statistisch signifikante Erhöhung der Anagenhaarquote in Frauen mit AGA bewirken kann. Das Studienpräparat war Priorin® Kapseln, ein Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke, dessen Nutzen durch wissenschaftliche Daten belegt ist. In einer Beobachtungsstudie bewerteten 75% der Patientinnen (104 von 139) dieses Präparat positiv, es zeigte sich als sehr gut verträglich [6].

Literatur

  1. Kanti V, et al. Evidence-based (S3) guideline for the treatment of androgenetic alopecia in women and in men - short version. JEADV2018;32:11–22. DOI: 10.1111/jdv.14624.
  2. Apothekenbasierte Umfrage „Androgenetische Alopezie", 26.07.2024–26.08.2024. DeutschesApothekenPortal, 2024.
  3. Piccini I, et al. Intermediate Hair Follicles from Patients with Female Pattern Hair Loss Are Associated with Nutrient Insufficiency and a Quiescent Metabolic Phenotype. Nutrients 2022;14:3357. https://doi.org/10.3390/nu14163357.
  4. Kanti V, et al. S3 – European Dermatology Forum Guideline for the treatment of Androgenetic Alopecia in Women and in Men. Expiry date: 06/2020
  5. Gehring W, Gloor M. Das Phototrichogramm als Verfahren zur Beurteilung haarwachstumsfördernder Präparate am Beispiel einer Kombination von Hirsefruchtextrakt, L-Cystin und Calciumpanthothenat. Zeitschrift für Hautkrankheiten, H+G 2000;75(7/8):419–423.
  6. Bühling KJ. Therapie der androgenetischen Alopezie. Frauenarzt 2014;55(3):282–284.
  7. Ludwig E. Classification of the types of androgenetic alopecia (common baldness) occurring in the female sex. Br J Dermatol 1977;97:247–254.

Interessenkonflikte: Mira Jakobs und Christiane Kolb sind Angestellte der Bayer Vital GmbH. 

Offenlegung: Medical Writing and Publikation finanziert von Bayer Vital GmbH.

Affiliation/Korrespondenz: Dr. Mira Jakobs und Dr. Christiane Kolb, Bayer Vital GmbH, Medical Affairs Consumer Health, Gebäude K 56, 1B072, 51366 Leverkusen, Deutschland
Eingereicht am: 14.11.2024Akzeptiert am: 24.04.2025Veröffentlicht am: 15.07.2025
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