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Land:Deutschland
Sprachen:deutsch

Studie belegt den Effekt eines Supplements auf den Mikronährstoff-Gehalt in der Muttermilch


EFSM: 2022;2:220038DOI: 10.52778/efsm.22.0038Veröffentlicht am: 22.02.2022
Jens Seibel

Selbst in Ländern mit hohem Lebensstandard sind stillende Frauen häufig unzureichend mit essenziellen Nährstoffen versorgt – mit unter Umständen negativen Auswirkungen auf die Entwicklung des Säuglings. Eine randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte Studie bestätigt die Evidenz für eine tägliche Supplementierung mit einer Kombination aus mehreren Mikronährstoffen plus Lutein und Docosahexaensäure (DHA) in der Stillzeit.

Mikronährstoffversorgung von stillenden Müttern oft unzureichend

In den ersten Lebenswochen wächst ein Kind so schnell wie in keiner späteren Entwicklungsphase. Nach einem halben Jahr hat es sowohl das Gewicht seines Körpers als auch das Gewicht seines Gehirns verdoppelt, zum Ende des ersten Jahres hat es sein Körpergewicht verdreifacht und sein Gehirn bereits 70% des Gewichts eines Erwachsenengehirns erreicht. Eine ausreichende Versorgung mit wichtigen Nährstoffen ist für eine gesunde Entwicklung notwendig. Stillen gilt als optimale Säuglingsernährung und wird von Fachgesellschaften empfohlen [1], wobei die Zusammensetzung der Muttermilch je nach Stoffwechsel- und Ernährungszustand der Mutter variieren kann. Während der Gehalt mancher Mikronährstoffe in der Muttermilch, wie Calcium, Eisen, Kupfer oder Zink, durch die mütterliche Nahrungsaufnahme nicht beeinflusst zu werden scheint, sind andere Mikronährstoffe, wie beispielsweise B-Vitamine oder DHA, ernährungsabhängig in unterschiedlicher Menge in der Muttermilch zu finden. Die empfohlene Aufnahme für wichtige Nährstoffe, zum Beispiel für Iod, ist bei Stillenden erheblich höher als bei nicht stillenden Frauen [2, 3]. Selbst in Ländern mit hohem Lebensstandard sind multiple Mikronährstoffmängel weit verbreitet [3]. Zu den Auswirkungen einer Supplementierung mit einer Kombination aus mehreren Mikronährstoffen plus DHA und Lutein (im Folgenden als Multiple Micronutrient Supplementation, MMS bezeichnet) während der Stillzeit wurde eine randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte Studie in Deutschland durchgeführt [3].

Studie untersucht Supplementierung mit mehreren Mikronährstoffen, DHA und Lutein

In der Untersuchung wurden 70 gesunde, stillende Frauen und ihre Säuglinge zwei Behandlungsgruppen zugewiesen (35 in jeder Gruppe). Einschlusskriterien waren unter anderem eine Einlingsschwangerschaft, ein Hämoglobinspiegel >105 g/L, der Wunsch, mindestens vier Monate lang zu stillen, sowie eine omnivore Ernährungsweise. In die Begleituntersuchung wurden Säuglinge mit angemessenem Geburtsgewicht (Gestationsalter >37 Wochen / <43 Wochen) und unauffälligen Befunden eingeschlossen.

Studienprodukt war eine Softgelkapsel mit folgenden Bestandteilen (Elevit® 3, Bayer): Vitamin A (Betacarotin) 3600 IU; Vitamin C 60 mg; Vitamin D 600 IU; Vitamin E 10 IU; Vitamin B1 1,4 mg; Vitamin B2 1,6 mg; Vitamin B3 17 mg; Vitamin B5 7 mg; Vitamin B6 2 mg; Vitamin B12 2,8 mg; Folsäure 500 µg; Biotin 35 µg; Calcium 120 mg; Iod 225 µg; Eisen 9 mg; Selen 55 µg; Zink 10 mg; DHA 200 mg; Lutein 250 µg.

Die MMS-Gruppe (n = 35, von denen 32 die Studie abschlossen) erhielt einmal täglich das Studienprodukt. Die Supplementierung begann vier bis sechs Wochen nach der Entbindung (Besuch 2) und dauerte etwa zwölf Wochen (Besuch 4). Die Placebogruppe (n = 35, von denen 33 die Studie abschlossen) erhielt im gleichen Zeitraum ein Softgelkapsel-Placebo, das außer Iod (225 μg) keine Wirkstoffe enthielt. Die Ioddosis war im Studienprodukt und im Placebo gleich und entsprach den Empfehlungen der deutschen Mutterschaftsrichtlinien.

Untersucht wurden die Auswirkungen der Supplementierung auf die mütterlichen Milch- und Blutbiomarker. Primärer Endpunkt war die Veränderung des prozentualen DHA-Gehalts in der Muttermilch, bestimmt in Gewichtsprozent bezogen auf die Gesamtfettsäuren (Gew.-% TFA). Zu den sekundären Endpunkten gehörten der Status von weiteren Mikronährstoffen in der Muttermilch sowie im mütterlichen Blut.

Signifikanter Anstieg des DHA-Gehalts der Muttermilch

Docosahexaensäure (DHA) ist als langkettige, mehrfach ungesättigte Fettsäure ein Bestandteil von Membran-Phospholipiden, insbesondere von Nervenzellen. Besonders hohe Konzentrationen finden sich im Gehirn, im zentralen Nervensystem und in der Netzhaut. Die Aufnahme von DHA durch die Mutter kann zur normalen Gehirnentwicklung sowie zur normalen visuellen Entwicklung des Säuglings beitragen [4]. Die Konzentration an DHA in der Muttermilch wird durch die nahrungsbedingte DHA-Aufnahme der Mutter bestimmt.

Die Supplementierung über den 12-wöchigen Studienzeitraum erhöhte den DHA-Gehalt der Muttermilch signifikant im Vergleich zu einem Rückgang in der Placebogruppe (p < 0,0001) (s. Tab. 1). Der Gehalt an Milch-DHA stieg mit MMS im Laufe der Studie von einem Mittelwert von 0,25% ± 0,09% (Range 0,12–0,57%) auf 0,35% ± 0,08% (Range 0,18–0,49%) nach zwölf Wochen. Im Gegensatz dazu sank der DHA-Gehalt in der Placebogruppe von 0,26% ± 0,12% (Range 0,12–0,64%) auf 0,21% ± 0,08% (Range 0,10–0,47%) über den Studienzeitraum. Die Ursache für die Abnahme in der Placebogruppe könnte darin begründet sein, dass während der Schwangerschaft allen Studienteilnehmerinnen die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln erlaubt war, die DHA hätten enthalten können. Darüber hinaus weisen die Autoren der Studie darauf hin, dass der DHA-Gehalt der Muttermilch bekanntermaßen mit zunehmender Laktationsdauer abnimmt.

Die mittlere LS-Differenz des Gehalts an Milch-DHA (Gew.-% TFA) zwischen MMS und Placebo über die 12 Wochen betrug 0,15 (95% KI 0,11–0,19) (p < 0,0001 zugunsten von MMS). (Kontinuierliche Daten werden in der Untersuchung je nach Bedarf als Mittelwert ± SD- oder LS-Mittelwerte, Mittelwerte der kleinsten Quadrate, der Veränderung gegenüber Besuch 2 [95 %-Konfidenzintervall, KI] zusammengefasst.)

Signifikanter Anstieg weiterer Mikronährstoffe in Milch und Blut der Mutter

In Übereinstimmung mit den beobachteten Veränderungen in der Muttermilch wurde auch im mütterlichen Blut ein signifikanter Anstieg des DHA-Spiegels in der MMS-Gruppe gemessen, verglichen mit einer Abnahme in der Placebogruppe. Ebenfalls signifikant stiegen der Blut- und Milchspiegel der Omega-3-Fettsäure Eicosapentaensäure (EPA) in der MMS-Gruppe an, während sie in der Placebogruppe sanken.

Die Vitaminkonzentrationen unterschieden sich signifikant zwischen der Verum- und der Placebogruppe (s. Tab. 1). Gemessen wurde ein signifikanter Anstieg der Blutspiegel von 25-OH-Vitamin D, Folsäure, Vitamin B12 und Lutein in der MMS-Gruppe im Vergleich zu einer Abnahme in der Placebogruppe. Der Betacarotinspiegel stieg sowohl im Blut als auch in der Milch in der MMS-Gruppe an, nahm aber in der Placebogruppe ab.

Einen umgekehrten Effekt zeigte der Blut-Homocysteinspiegel, der in der MMS-Gruppe sank und in der Placebogruppe anstieg. Hohe Homocysteinspiegel gelten als Risikofaktor für die Entwicklung thrombotischer oder kardiovaskulärer Ereignisse bei Erwachsenen. Ebenfalls nahmen die Blutspiegel der Omega-6-Fettsäure Docosatetraensäure in beiden Gruppen ab, die Reduktion war in der MMS-Gruppe signifikant größer als unter Placebo. Obwohl langkettige Omega-6-Fettsäuren wie Docosatetraensäure eine wesentliche Rolle bei der Regulierung von Entzündungen spielen, wirken die von ihnen abgeleiteten Eicosanoide proinflammatorisch.

Abgesehen von diesen Parametern gab es keine signifikanten Unterschiede bei anderen mütterlichen Blutbiomarkern oder der Milchnährstoffzusammensetzung.

Tab. 1. Primäre und sekundäre mütterliche Wirksamkeitsendpunkte mit signifikanten Veränderungen zwischen Besuch 2 und Besuch 4 (Per-protocol-Population, LOCF-Ansatz).

ParameterPlacebo (n = 33)
Mittelwert ± SD (Range)
MMS (n = 32)

LS Mean Mittelwertdifferenz

(95 % CI)1

p-Wert*
Milchparameter
DHA [Gew.-% TFA] (primär)−0,05 ± 0,11 
(−0,32 to 0,22)
0,11 ± 0,12 
(−0,23 to 0,32)
0,15 
(0,11–0,19)
<0,0001
EPA [%]−0,01 ± 0,04 
(−0,11 to 0,06)
0,01 ± 0,03
(−0,06 to 0,06)
0,0110 
(0,0006–0,0214)
0,038
Mead’sche Säure [%]0,019 ± 0,054 
(−0,03 to 0,19)
−0,004 ± 0,015 
(−0,07 to 0,01)
−0,022 
(−0,040 to −0,003)
0,024
Betacarotin [ng/mL]−5,1 ± 17,2 
(−48,0 to 28,0)
22,7 ± 34,5 
(−20,0 to 142,0)
28,4 
(15,0–41,9)
<0,0001
Blutparameter
DHA [mg/L]−9,76 ± 8,98 
(−37,0 to 6,9)
7,14 ± 11,40 
(−29,0 to 28,1)
15,66 
(11,96–19,36)
<0,0001
DHA/TFA−0,004 ± 0,007 
(−0,008 to −0,001)
0,009 ± 0,009 
(−0,02 to 0,03)
0,013 
(0,010–0,016)
<0,0001
Docosatetraensäure [mg/L]−0,44 ± 1,08
(−3,9 to 1,9)
−0,70 ± 0,87 
(−2,2 to 1,8)
−0,46 
(−0,86 to −0,05)
0,0270
EPA [mg/L]

−2,84 ± 4,27 

(−11,2 to 4,6)

0,59 ± 4,48 
(−10,6 to 13,5)
2,21 
(0,44–3,98)
0,0155
25-OH-Vitamin D [ng/mL]−1,02 ± 8,18 
(−7,5 to 5,50)
5,88 ± 9,98 
(−8,4 to 28,9)
7,82 
(4,36–11,28)
<0,0001
Folsäure [ng/mL]−1,73 ± 4,73 
(−11,6 to 16,5)
17,82 ± 9,51 (11,70−23,80)21,20 
(17,84–24,56)
<0,0001
Homocystein [μM]0,56 ± 1,47 
(−3,51 to 3,72)
−1,08 ± 1,24 
(−4,24 to 1,71)
−1,63 
(−2,27 to −0,99)
<0,0001
Vitamin B12 [pg/mL]−17,9 ± 97,0 
(−313,0 to 342,0)
69,0 ± 135,7 
(−190,0 to 510,0)
89,89 
(31,45–148,3)
0,0031
Betacarotin [ng/mL]−49,3 ± 160,3 
(−443,0 to 222,0)
223,3 ± 334,2 
(−480,0 to 1182,0)
296,35 
(183,06–409,64)
<0,0001
Lutein [ng/mL]−16.8 ± 33.1 
(−91.0 to 40.0)
5.8 ± 52.2 
(−182.0 to 90.0)
21.13 
(4.15–38.31)
0.0157

* Ein p-Wert < 0,05 wird als statistisch signifikant beurteilt. 1 Differenz = Supplementierung – Placebo.  

KI:  Konfidenzintervall; DHA: Docosahexaensäure; EPA: Eicosapentaensäure; LOCF: last observation carried forward; LS-Mittelwert: Mittelwert der kleinsten Quadrate; Mead’sche Säure: Eicosa-5,8,11-triensäure; MMS: Supplementierung mit einer Kombination aus mehreren Mikronährstoffen, DHA und Lutein; SD: Standardabweichung; TFA: Gesamtfettsäuren.

Sicher und gut verträglich 

In beiden Behandlungsgruppen erlebte jeweils eine Mutter ein unerwünschtes Ereignis, das von den Prüfärzten mit der Studienmedikation in Verbindung gebracht wurde: in der Placebogruppe mit milder Intensität (Blähungen) und in der MMS-Gruppe mit moderater Intensität (peripartale Blutung).

Keines der bei den Säuglingen berichteten unerwünschten Ereignisse wurde von den Prüfärzten mit der Studienmedikation in Verbindung gebracht.

Zusammenfassung

Die Ergebnisse der Studie zeigten, dass die Einnahme eines Mikronährstoff-Supplements mit DHA und Lutein in der Stillzeit unter anderem mit einer signifikanten Steigerung des DHA-Gehalts der Muttermilch sowie mit einer signifikant erhöhten Blut- und Milchkonzentration ausgewählter Nährstoffe im Vergleich zu Placebo verbunden war. Obwohl die Studie in einem Land mit hohem Lebensstandard durchgeführt wurde, war die Versorgung mit Makro- und Mikronährstoffen aus der Nahrung oft unzureichend. Die Autoren der Studie heben hervor, dass der DHA-Spiegel nach der Supplementierung in der Muttermilch erhalten bleibt, und konstatieren, dass das zu klinischen Vorteilen beim Säugling führen kann [3]. Allerdings wurden solche möglicherweise vorhandenen klinischen Vorteile in der vorliegenden Studie nicht untersucht.

Das Supplement wurde gut vertragen, es gab keinen signifikanten Unterschied im Hinblick auf die Anzahl der unerwünschten Ereignisse zwischen der Studiengruppe und der Kontrollgruppe.
 

Literatur

  1. ESPGHAN-Committee-on-Nutrition; Agostoni C, Braegger C, Decsi T, Kolacek S, Koletzko B, Michaelsen KF, Mihatsch W, Moreno LA, Puntis J, et al. Breast-feeding: A commentary by the ESPGHAN Committee on Nutrition. J Pediatr Gastroenterol Nutr 2009;49:112–125.
  2. FDA: Daily Value and Percent Daily Value: Changes on the New Nutrition and Supplement Facts Labels. https://www.fda.gov/media/135301/download. (Accessed on 06.12.2021).
  3. Schaefer E et al. Multiple Micronutrients, Lutein, and Docosahexaenoic Acid Supplementation during Lactation: A Randomized Controlled Trial. Nutrients 2020;12:3849; doi:10,3390/nu12123849.
  4. European Commission: Complete dataset of nutrition and health claims 25/10/2018.

 

Interessenkonflikt: Jens Seibel ist Angestellter der Firma Bayer Vital GmbH.

Offenlegung: Medical Writing und Publikation finanziert von Bayer Vital GmbH.

Affiliation/Korrespondenz: Jens Seibel, Bayer Vital GmbH, Medical Affairs Consumer Health, Building K 56, 1B441, 51368 Leverkusen, Germany
Eingereicht am: 08.12.2021Akzeptiert am: 31.01.2022Veröffentlicht am: 22.02.2022
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